Museum der Kulturen Basel: Bali
Bali - Insel der Götter


Frauenkopf mit hochgesteckter Frisur
Terrakottaplastik, lebensnaher Stil der Majapahitzeit (1293 - 1526), Höhe: 32 cm
Bali, 15. oder 16.Jh.
Foto Peter Horner, Museum der Kulturen Basel

Die Vorfahren der ersten Balinesen sind vermutlich vor rund 2500 Jahren mit Auslegerbooten auf die Insel gekommen. In den Gräbern und Steinsarkophagen der frühen Balinesen sind neben Steinbeilklingen immer auch Bronzeobjekte gefunden worden. Metallobjekte waren zunächst im Rahmen eines weitverzweigten Netzes von Handelsbeziehungen vom südostasiatischen Festland nach Bali gelangt. Prägeformen für den Metallguss zeigen jedoch, dass später auch die Herstellungstechnologien selbst importiert worden waren. Das Fundmaterial lässt den Schluss zu, dass Bali bereits in vorgeschichtlicher Zeit komplexere gesellschaftliche Strukturen und einen entwickelten Ahnen- und Totenkult besass.

Im Jahre 1343 n. Chr. gelingt es Gajah Mada, dem obersten Minister und General des mächtigen ostjavanischen Reiches von Majapahit (1292 - 1526) die Herrschaft der alten balinesischen Könige zu brechen. Bali wird militärisch erobert, durch Vasallenherrscher kolonisiert und gleichgeschaltet. Die bereitwillige Kollaboration der führenden altbalinesischen Klane ist nur ein Faktor für den Erfolg des neuen Regimes von Gelgel und seiner Nachfolgereiche. Genau so wichtig wie sie sind die im Umfeld des Hofes angesiedelten Priester, Literaten, Künstlergruppen und Handwerkergilden, die wirksam und spektakulär am Aufbau einer neuen Ideologie, eines feudalen Kastensystems und einer neuen Herrschaftskultur mitarbeiten.

Die Terrakottakunst Majapahits und ihre balinesischen Weiterentwicklungen sind ihrem Charakter nach profan, auf den Menschen bezogen, intuitiv, oft auch humorvoll und lebensnah. In ihnen spiegelt sich wohl am ehesten die Gesellschaft der Bauern und Handwerker aus dem weiteren Umkreis der Höfe.
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Exorzistenpriester beim Offizium
Skulptur aus vulkanischem Tuffgestein, Höhe: 65 cm
Bali, frühes 20.Jh.
Foto Peter Horner, Museum der Kulturen Basel

Wer an die Ambivalenz aller guten und schlechten Dinge glaubt und davon überzeugt ist, diese durch rituell korrektes Verhalten aktiv zu seinen Gunsten beeinflussen zu können, wird dem Ritual im Rahmen seiner Kultur überdurchschnittliche Bedeutung beimessen. So gehen die Balinesen durch ein Leben voller Riten, deren Zweck es ist, zu reinigen, was unrein ist, zu einigen, was unvereinbar scheint, auszugleichen, zu verehren und zu besänftigen, Gefahr abzuwenden, Nahrung zu gewinnen, sich ein glückliches Leben im Jenseits und eine gute Wiedergeburt zu sichern. Balinesische Rituale sind eine vielschichtige dramatische Kunst mit unzähligen Bühnen, Akteuren und Aufführungsmöglichkeiten. In fünf Kategorien von Opferritualen (panca yadnya) stehen einerseits die Götter (dewa yadnya) und Dämonen (bhuta yadnya) im Brennpunkt der rituellen Handlungen. Genauso wichtig sind jedoch die Übergangsriten für den Menschen (manusa yadnya) und für die Reinigung der Totenseelen (pitra yadnya), die von spezialisierten, rituell geweihten Priestern (rsi yadnya) mit unterschiedlich wirkenden Weihwassern vollzogen werden.

Im Ritual des Muttertempels von Besakih haben die Priester des Bhujangga Waisnawa Klans die Aufgabe, sich mit den Mächten der Unterwelt abzugeben, diese zu besänftigen, zu bannen und, wenn nötig, mit exorzistischen Mitteln zu vertreiben.
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Tempeltänzerin beim rituellen Rejang-Tanz
Skulptur aus Holz, Reste roter und weisser Bemalung, Höhe: 67 cm
Bali, frühes 20.Jh.
Foto Peter Horner, Museum der Kulturen Basel

Sein wahres Glück erreicht der Mensch, wenn er ein Leben in Reinheit und in Harmonie mit Gott, den Mitmenschen und der Natur führen kann (Tri Hita Karana). Die Menschenwelt ist mit der Umwelt, der Erde und dem Universum im Gleichgewicht zu halten. Im Brennpunkt unzähliger Dank- und Bittopfer stehen die vergöttlichten Mächte der Natur: Siwa als Sonnengott Surya, als Berggott Mahadewa oder Vulkan Gunung Agung, die Mutter Erde, Perthiwi, der Gott des Fruchtbarkeit spendenden Wassers Wisnu, und die göttliche Reispflanze, Bhatari Sri. Reisland und Wasser sollten infolgedessen mit besonderer Ehrfurcht behandelt werden.

Das Heilige wird mit der Richtung der Vulkane (oben) und des Sonnenaufgangs (Osten) assoziiert, die auch die Anlage von Dörfern, Tempeln und Anwesen bestimmt. Das Profane findet sich unten, in Richtung des Meeres und des Sonnenuntergangs. Der Mensch lebt in der Mittelwelt, die durch die Ober- und Unterwelt begrenzt wird und er nimmt in seiner Dreigliedrigkeit (Kopf, Körper und Füsse) an allen drei Welten Anteil. Die Hierarchie Oben - Mitte - Unten (Tri Angga) bestimmt alle Strukturen, die ein Haupt, (Dach), einen Körper (Wohnraum) und Füsse (Fundament) haben.
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Maske zur Anthropomorphisierung von Opfergaben
Gesichtsmaske mit Kopfschmuck aus Holz, polychrom bemalt, Rattan, Eisenfedern, Breite: 41 cm
Bali, 20.Jh.
Foto Peter Horner, Museum der Kulturen Basel

Die Welt der Balinesen wird von komplementären Gegensätzen (rwa bhineda) bestimmt. Sie liegt zwischen antagonistischen Polen - zwischen Berg und Meer, Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, Licht und Schatten, Leben und Tod. Gegensätzliche Kräfte wie Weiblich-Männlich, Links-Rechts, Oben-Unten oder Schwarz-Weiss ergänzen sich, ergeben erst durch ihr Zusammenwirken einen Sinn und sind für das Wohlergehen des Menschen gleichermassen notwendig.

Der Mensch kann diese Ambivalenz günstig beeinflussen, indem er unablässig bestrebt ist, sich beiden Seiten gegenüber am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt korrekt zu verhalten. Dem Ideal der Harmonie, Reinheit und Unbeflecktheit steht jedoch die Realität der Unreinheit und der materiellen Versuchung entgegen. Der Bedrohung der balinesischen Kultur durch Urbanisierung und Globalisierung wird mit immer grösseren und aufwendigeren Reinigungsritualen begegnet, mit denen das schmerzlich empfundene soziale, wirtschaftliche und spirituelle Ungleichgewicht ausgeglichen werden soll.
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Götterfigur auf Reittier (arca lingga, pratima)
Die Figur zeigt einen jungen, mythischen Helden aus dem Ramayana oder Mahabharata, der auf seinem himmlischen Gefährt, dem Flügellöwen singha reitet.
Mehrteilig zusammengesetzte Skulptur aus Holz, polychrom bemalt, Höhe: 40 cm
Bali, frühes 20.Jh.
Foto Peter Horner, Museum der Kulturen Basel

Die balinesischen Götter und Ahnen leben in einer besonderen himmlischen Welt, aus der sie zu festgelegten Zeiten herabsteigen und auf die von Menschen bewohnte Mittelwelt. In Übereinstimmung mit diesem Konzept ist der balinesische Tempel kein geschlossenes Gotteshaus, sondern ein mit Mauern gegen aussen abgegrenzter, nach oben offener Bezirk, in den sich die Götter für die Dauer des Empfanges herabbegeben, um in speziell für sie vorgesehenen Behältnissen (Götterfiguren), auf ihren Schreinen und Altären Platz zu nehmen. Zu den wesentlichen Elementen des Tempelfestes zählen, neben der rituellen Reinigung aller Plätze, Personen und Objekte, das Anbieten von Opfergaben und die anschliessende Verehrung der Gottheit in ihrem Schrein.

Anlässlich von Prozessionen zu benachbarten Templen oder zum reinigenden Bad am Meer (melasti) nehmen die Götter als unsichtbare Kräfte in ihren Behältnissen Platz. Diese werden in kunstvoll geschnitzte Reittiere gesteckt, welche die Gestalt von Stieren, gekrönten Schlangen, Gänsen, Flügellöwen und anderen Fabelwesen annehmen.
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Götterfigur auf Reittier (arca lingga, pratima)
Die Figur zeigt einen brahmanischen Hohepriester, der auf seinem himmlischen Gefährt, dem Flügellöwen singha reitet.
Mehrteilig zusammengesetzte Skulptur aus Holz, polychrom bemalt, Höhe: 48 cm
Bali, frühes 20.Jh.
Foto Peter Horner, Museum der Kulturen Basel

Es gibt einen einzigen, allmächtigen Gott, Sanghyang Tunggal oder Sanghyang Widhi Waça. Er gehört in das für Menschen unvorstellbare Reich des Nicht-Manifesten und greift, als uranfängliche und ewige Weltseele (Brahman), nie aktiv in den Schöpfungsprozess ein. Im Verlauf der jüngeren Geschichte und einer zunehmenden Indisierung des balinesischen Hinduismus ist Sanghyang Widhi immer stärker mit monotheistischen Zügen ausgestattet worden. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt auch durch die in 5 Säulen erfassten Staatsmaximen (Pancasila) der Republik Indonesia mitbestimmt worden, die den Glauben an einen einzigen Gott zur Bedingung für die Anerkennung einer Religion (Agama) gemacht haben.

Unter den Hindugottheiten, die auch im Rahmen der Volksreligion eine Rolle spielen, stehen begreiflicherweise diejenigen den Balinesen am nächsten, die sich mit dem für die Agrarkultur so wichtigen Naturmächten identifizieren lassen: Verständlich wird in diesem Zusammenhang die Vergöttlichung der lebenswichtigen Elemente Erde (Perthiwi, weiblich), Wasser (Wisnu, männlich), Sonne (Surya, männlich) und Feuer (Agni, männlich), des göttlichen Vulkans Gunung Agung als Mahadewa (männlich), der für die Bewässerung der Reisfelder lebenswichtigen Seen (Dewi Danu, weiblich) sowie des Grundnahrungsmittels Reis (Dewi Sri, weiblich). Ranghöchster unter den Hindugöttern ist Siwa, der mit vielen Namen und in vielen Erscheinugnsformen bekannt ist.
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