Stückwerk

Geflickte Krüge, Patchwork, Kraftfiguren

29. April 2022 – 22. Januar 2023

Jedes Stück in der Ausstellung besitzt besonderen Wert und Bedeutung. Ob es aus Teilchen zusammengenäht oder mit Applikationen verziert ist. Ob es beschädigt oder geflickt ist. Stück für Stück wird die Kraft des Verbindens, die Kunst des Teilens und die Wucht des Zerstörens enthüllt.

Es kann schnell gehen: Ein Gegenstand rutscht aus der Hand und schon hat er einen Henkel ab, einen Sprung oder zerschellt. Davor warnt der Spruch auf einem Krug aus dem Elsass oder aus Südwestdeutschland von 1734: «Lestu mich auf einen stein springen, so werden meine scherben klingen.»

Der Krug ist unversehrt. Doch andere Exponate in der Ausstellung sind es nicht: Sie sind beschädigt, geflickt, unvollkommen. Statuen fehlen Arme, Köpfe sind ohne Körper, Gefässe weisen sichtbare Nähte auf, wo sie – mal kunstvoll, mal pragmatisch – repariert wurden.

Und trotzdem oder gerade deswegen stehen sie nun im Rampenlicht. Denn sie sind von Bedeutung: Sie zeugen von kulturellen, sozialen oder religiösen Praktiken. In ihnen stecken Geschichte, Wissen und Können. In Japan zum Beispiel ist die Reparatur einer Teeschale hohe Kunst und wird wortwörtlich vergoldet.

Kraft des Verbindens
Werden einzelne Stücke zusammengesetzt, kann daraus etwas Neues mit grossem Potenzial entstehen. In vielen Textilien, Figuren oder Reliquien zeigt die Ausstellung die Kraft des Verbindens.

Beim Zusammennähen von Stoffstücken entstehen zufällig oder geplant wunderschöne Tücher, Decken oder Fasnachtskostüme. Kleidungsstücke erlangen spezielle Bedeutung, werden zu Symbolen von Macht, Prestige und Würde.

Applikationen auf Gewändern, ob Stoff, Metall oder tierische Produkte, verleihen den Kleidern oder Träger*innen Kräfte, um z.B. Krankheiten zu bekämpfen oder Jagderfolge zu feiern. Substanzen in Figuren ermöglichen es diesen, die Menschen vor Unfällen und negativen Einflüssen zu schützen.

Schauwerkstatt
Mit Stückwerk, Bruchstellen, fehlenden Teilen oder schadhaften Stellen sind unsere Restauratorinnen und Konservatoren täglich beschäftigt. In einer Schauwerkstatt in der Ausstellung geben sie deshalb regelmässig Einblick in ihre Arbeit.

Die Begleitpublikation «Stückwerk» ist auf Deutsch und Englisch im Museumsshop oder im Buchhandel erhältlich.

ISBN 978-3-7757-5306-7 (Deutsch)

ISBN 978-3-7757-5307-4 (Englisch)

 

Videotranskription

Text zum Video «Stückwerk: geflickte Krüge, Patchwork, Kraftfiguren»

Musik ertönt, es sind ein Raum sowie mehrere farbige Hemden und Blusen – der Ausstellung «Stückwerk» zu sehen. Die Kamera schwenkt durch den Raum.

Der Titel «Stückwerk: geflickte Krüge, Patchwork, Kraftfiguren» wird eingeblendet. Es wird ein weiterer Ausstellungsraum gezeigt, in dem zahlreiche Figuren ausgestellt sind.

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Nahaufnahme zweier bemalter Schalen aus Ton.

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Aufnahme zweier Fasnachtskostüme aus Stoffresten oder Flicken. Rechts im Bild hängt ein Quilt an der Wand.

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Nahaufnahme zweier Figuren aus Ton. Die linke Figur ist etwas grösser als die rechte und weist Bruchstellen auf.

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Nahaufnahme von zwei mit Blumen, Tierfellen, Kaurimuscheln und Glasperlen bestickten braunen Hemden.

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Nahaufnahme eines Stützsockels aus Holz, die Bruchstellen aufweist. Dann zoomt die Kamera weg von der Figur und auf zwei weitere Tonfiguren, die nun am linken und rechten Bildrand zu sehen sind.

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Aufnahme zweier Quilts, die an der Wand hängen.

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Direktorin und Kuratorin Anna Schmid steht im Ausstellungsraum vor mehreren farbigen und bestickten Hemden und Blusen:

«Wir sind hier in der Ausstellung Stückwerk. Es ist die letzte Ausstellung, die wir eröffnet haben. Dabei geht es darum, Dinge vorzustellen, die aus Stücken hergestellt wurden oder in Stücke zerfallen sind oder die auf dem Weg dahin sind. Dazu haben wir fünf Stationen gemacht. Die erste Station ist die «Ästhetik des Verbundenen», wo es besonders bei Textilien darum geht, wie werden Dinge zusammengefügt, damit etwas Neues entsteht. Ist es dann fertig? Kann man ewig daran weiterarbeiten? Wozu wird es gebraucht? Wie wird es verwendet? Was steckt alles dahinter.»

 

Während Anna Schmid spricht, erscheinen weitere Aufnahmen eines braun-beigen Quilts, eines braunen Kleids aus Stoff, das reich mit farbigen Glasperlen, kleinen Metallplättchen und farbigem Faden verziert ist. Es folgen weitere Aufnahmen von Textilien – farbige und teils bestickte Hemden, Kleider, ein applizierter Kimono aus Japan sowie zwei bunte Oberteile vor einem Quilt an der Wand.

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Direktorin und Kuratorin Anna Schmid im Ausstellungsraum:

«Dann haben wir die Kraft des Kombinierten. Dabei geht es um Unterlagen, Grundlagen, sei es ein Kleidungsstück, sei es eine Figur, auf die im Laufe der Zeit immer mehr appliziert und hinzugefügt wird. Je nach Erfahrung und Können der Person, die diese Dinge nutzt und trägt, kommt im Laufe des Lebens mehr dazu, um dann zu schamanisieren, ein erfolgreicher Jäger zu sein oder andere Dinge für die Gesellschaft zu errichten.»

Während Anna Schmid spricht, werden Aufnahmen eines braunen Jägerhemdes mit applizierten Ledertaschen und anderen tierischen Materialien gezeigt. Danach kleine Kraftfiguren sowie vier Bilder mit christlichen Motiven und Knochenfragmenten (Reliquien) – unter anderem ein Marienbild – gezeigt, die aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt sind und nebeneinander an der Wand hängen.

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Musik ertönt. Es folgen Nahaufnahmen eines Bildes, das mit Glasperlen bestickt ist, eine reich verziertes und besticktes Maskenkostüme sowie eins schamanischen Gewands aus braunem Leder, das vollbehängt ist mit Metallplatten, -ringen und kleinen Glocken. Es folgt die Aufnahme von zwei runden Behältern aus Leder.

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Direktorin und Kuratorin Anna Schmid im Ausstellungraum:

«Dann haben wir den Wert des Reparierten und Zerfallen lassen. Im einen geht’s darum, gegen der Zerfall zu arbeiten, also Dinge tatsächlich zu reparieren, dabei wieder die Funktionsfähigkeit herzustellen, mitunter aber auch, um die Dinge dadurch zu veredeln, ihnen mehr Persönlichkeit zu geben. Kintsugi ist die Reparaturmethode, die wir inzwischen alle kennen aus Japan und die einer Teeschale etwas Besonderes verleiht. Diese Besonderheit wird auch jeweils gewürdigt von denen, die sie benutzen oder die als Gäste eingeladen werden.»

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Nahaufnahme von drei braunen und beigefarbenen Teeschalen aus Japan. In weiteren Nahaufnahmen werden Vasen gezeigt, die nebeneinander aufgereiht sind, runde Schalen sowie eine grosse Schale aus Ton, die zahlreiche Bruchstellen aufweist.

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Direktorin und Kuratorin Anna Schmid im Ausstellungsraum:

«Dagegen stehen Dinge, die dem Zerfall anheimgegeben werden, die aus der jeweiligen Kultur heraus, weil sie nach einem Ritual sinnentleert sind, weil sie mit dem Tod zusammenhängen und dem Gedenken an Personen, die dann auch verehrt werden durch Säulen, Figuren etc. und die in der Verwitterung langsam, aber sicher zerfallen.»

Während sie eine weitere Station erklärt, werden Aufnahmen stehender, geschnitzter Holzstatuen, Opferpfähle, Seitentürstücke und eines Baumstammsargs gezeigt.

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Musik ertönt. Es folgen Nahaufnahmen von Figuren, Seitentürstücken und eines reich verzierten Frieses aus Holz, danach schwenkt die Kamera über den ganzen Ausstellungsraum.

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Direktorin und Kuratorin Anna Schmid im Ausstellungsraum:

«Und zum Schluss geht es um Bruchstellen, um die Dinge, die hier im Museum sind, die mitunter auch deswegen abgebrochen wurden, zerstört wurden, zerstückelt wurden, Buddhaköpfe, aber auch Köpfe aus Kulturen, Teile von Architekturen, wo es darum ging, Besonderheiten im Museum zeigen zu können. Deswegen meinte man, dieses alles mitnehmen zu müssen, haben zu müssen und hat es dann hierher transportiert.»

Während ihrer Erklärung zur letzten Station werden Terrakottareliefs mit einer Hindugöttin,, grosse Holzpfosten sowie Buddhaköpfe aus Stein gezeigt.

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Musik ertönt. Es folgen Nahaufnahmen von Holzreliefs mit Darstellungen indischer Tänzerinnen , Holzfiguren sowie Kunstwerken aus Karton.

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Direktorin und Kuratorin Anna Schmid im Ausstellungsraum. Sie erklärt die Ausstellungsstücke im Eingangsbereich näher – es handelt sich um zwei Kunstwerke aus Karton, Wachspapier und Baumwolle sowie ein Regencape aus Japan, das unter anderem aus Rinden, getrocknetem Seegras und Seetang hergestellt ist. In einer weiteren Aufnahme werden abgebrochene, liegende Buddhaköpfe aus Stein gezeigt.

«Im Eingangsbereich zeigen wir drei Dinge: Das sind einmal zwei Werke des Künstlers Wallen Mapondera. Er stammt aus Simbabwe und lebt und arbeitet in Südafrika. Er sucht Dinge, die nicht mehr in Gebrauch sind, um sie neu zusammenzusetzen. Und zum Zweiten dann ein Regencape aus Japan, was aus unterschiedlichen Materialien zusammengesetzt wurde. Und diese drei Teile sind in gewisser Weise eine Klammer von all dem, was wir hier zeigen.»

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Musik ertönt. Es folgen Nahaufnahmen eines Stützsockels aus Holz mehrerer Tonköpfe.

ENDE