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Ein glücklicher Döppe

Von Peter Ommert

«Gestatten – iich sein e aal Marjößer Schraubdöppe! Ja, ich habe den Marjoßer Zungenschlag noch nicht verlernt, obwohl ich fast die Hälfte meines Lebens in der Schweiz, genauer gesagt in Basel verbrachte. Es ist – wenngleich ich mich auch in Basel recht wohl fühlte – ein wunderbares Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Vieles hat sich allerdings in den langen Jahren meiner Abwesenheit verändert ...

Als alle Augen freudig strahlten

Als mich Marjoßer Töpferhände aus einem Tonklumpen formten, war die Welt noch eine andere. Oh, ich könnte euch viel erzählen! Etwa von meiner glücklichsten Zeit, vor dem Ersten Weltkrieg, als die Kinder in mir heiße, gute Kartoffelsuppe aufs Feld trugen und alle Augen freudig strahlten, wenn sie mich erblickten. Oder aber von den schweren  Jahren, als ich beinahe nur Frauen, Kinder und Alte auf den Wiesen und Äckern sah. Zwar stille Dankbarkeit, aber kaum mehr ein frohes Lachen bei meinem Anblick.

Die tiefen Sorgenfalten der Bäuerinnen um ihre in den großen Krieg gezogenen Männer waren durch nichts zu glätten. Ich bin mir sicher, dass die Gedanken der heimwehkranken Soldaten von den Schützengräben Frankreichs oft zum Meddelberch, zum Ratzerod, ins Oastdoal oder zu den Kirschewiese wanderten, wo sie der friedlichen Feldarbeit im Kreise ihrer Lieben gedachten – und meiner heißen Suppe! Viele, viele der sehnsüchtig ihrer Heimat Hoffenden sollten diese nie wieder sehen.

Auf dem Foto steht ein brauner Topf mit einem Henkel

Iich sein e aal Marjößer Schraubdöppe

Und schließlich kam alles im Zweiten Krieg noch schlimmer! Doch genug der schweren Zeiten. Das Leben ging weiter. In der Nachkriegszeit lebte ich noch einmal richtig auf. Es war schön, wieder die Späße und frohen Rufe zu hören, wenn ich um die Mittagszeit in Sichtweite kam.

Aber dann war auf einmal alles vorbei: Die Moderne hielt mit Emaille, Blech und Kunststoff Einzug. Ich war – wie man in Marjoß sagt – ‹zu nias meh Nötz›. Dabei hat es das Schicksal noch verhältnismäßig gut mit mir gemeint, denn ich landete nur im Keller – und nicht wie hunderte meiner Schwestern und Brüder in Scherben zerschlagen auf dem Mist oder Sperrmüll.

Ich geriet in die Hände einer jungen Frau

Es wäre gelogen, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich mich in all den Jahren in einem dunklen Keller meiner Verdienste beraubt fühlte. Umso mehr freute ich mich, dass ich in den Sechzigerjahren in die Hände einer jungen Frau geriet, die meine inneren Werte erkannte und sich für meine Geschichte interessierte.

Gisela Fleischhauer absolvierte als Lehramtsstudentin ein Praktikum bei der Töpferei Ruppert. Sie erwarb viele Dutzend Marjößer Döppe, darunter auch mich. Als Ehefrau von Ethnologie-Professor Meinhard Schuster verschlug es sie mit uns nach Basel. Dort kamen wir wieder zur Geltung! Zusammen mit Gefäßen aus aller Welt zierten wir die Wohnung der Schusters.

Kein Platz für alle von uns im Museum

Was könnte ich euch nicht alles für spannende Geschichten berichten, die ich im Hause Schuster belauschen durfte! Von den Forschungsreisen der Schusters zu den Yanomami-Indianern im Regenwald Südamerikas und zu den Kopfjägern Neuguineas, von Abenteuern und spannenden Expeditionen.

Nach vielen glücklichen Jahren dann ein schwerer Schlag: Gisela Schuster starb. Einige Marjoßer Döppe hatte das Ehepaar bereits vor Jahren dem Museum der Kulturen Basel gestiftet, wo Herr Schuster als Kurator arbeitete. Doch für alle von uns war kein Platz.

Ins Heimatdorf zurückgeholt

Wie gut, dass dann Tabea Buri, Europa-Kuratorin des Museums, sich die Mühe machte, nachzuforschen, wo denn dieses Marjoß läge und ob dort in der alten Heimat Interesse an der Sammlung der Schusters bestünde. Und so klingelte bei Gertrud Weihmann in der Töpferei Ruppert das Telefon. Um es kurz zu machen: Einige E-Mails und Telefonate später wurde ich mit etwa 100 anderen Marjößer Gefäßen in unser Heimatdorf  zurückgeholt.

Nach über fünfzig Jahren in Basel bin ich wieder in Marjoß. Jetzt stehe ich mit  zahlreichen meiner Altersgenossen in der Museumstöpferei der Ommerts, bei Hansjes.»