April, April ...
Am ersten Tag im April haben Scherze, Irreführungen, Verspottungen oder etwas salopp gesagt Verarschungen Konjunktur. Ueli Gyr spricht in seinem Artikel «Aprilscherze» gar von einer «Scherzpraxis», die sich rund um den 1. April etabliert hat. Neben der Verbreitung in zahlreichen medialen Formen wie etwa im Internet, in Zeitungen oder auf Social Media sind nach wie vor auch Scherzartikel beliebt, um das Gegenüber zu erschrecken, zu verblüffen oder blosszustellen.
Gemeinsames Erlebnis
Unerwartete Geräusche wie etwa Schnarch-, Grunz- oder Furztöne führen einen Überraschungsmoment herbei, genauso wie Würmer, Mäuse, Spinnen oder Hundekot aus Plastik im ersten Moment erschrecken oder anekeln können. Auf den Schreckmoment folgt der Akt der Auflösung – meistens begleitet durch die Worte «April, April» –, und im Idealfall können anschliessend «Opfer» und «Täter» über den Scherz lachen. Wie Timo Heimendinger in seinem Beitrag «Der Gefoppte wird staunend vor diesem Rätsel stehen. Scherzartikel und die kohäsive Kraft des Lachens» erläutert, leitet sich daraus die soziale Funktion der Scherzartikel ab: Alltagsroutinen und Normalitäten werden durchbrochen, um in einem nächsten Schritt ein gemeinsames Erlebnis, das Lachen über den Scherz oder die Situation, auszulösen.
Wir haben uns auf die Suche nach Scherzartikeln in unserer Sammlung gemacht und stellen hier einen kleinen, gelb-braun glasierten Hahn aus Ton vor: Der Hahn ist innen hohl, eine kleine Öffnung unten ist mit einem Holzstöpsel verschlossen. Beim Schwanz befinden sich zwei Mundstücke, das Linke funktioniert wie eine Pfeife: Bläst man hinein, kräht beziehungsweise pfeift der Hahn.
Trickreich
Das Erschreckende oder Überraschende ist auf den ersten Blick nicht sichtbar, doch die dazugehörige Karteikarte verrät den Trick: Der Hahn wird von unten mit Russ gefüllt. Der oder die Kundige benutzt das linke Mundstück und zeigt dem Gegenüber, wie gut der Hahn pfeifen kann. Probiert es das Gegenüber auch und erwischt er oder sie das rechte Mundstück, dann pfeift der Hahn nicht, sondern bläst seinem «Opfer» Russ ins Gesicht.
Der kleine Hahn kam 1964 in die Sammlung und stammt aus Sufflenheim im Elsass. Neben sogenannten Russvögeln als Scherzartikel stellten die Hafnerinnen und Hafner in Sufflenheim noch weitere Kinderspielzeuge aus Ton her, zum Beispiel Wasserpfeifen in Vogelform oder Sparkässeli. Auch Pfannen, Bettflaschen, Backformen, Schüsseln und Krüge gehörten zum Repertoire, wie Karl Hillenbrand im Artikel «Von den elsässischen Hafnern und ihren Beziehungen zu Baden» schreibt.
Krise mit Humor überwinden
Übrigens: Der Kulturwissenschaftler Gunter Hirschfelder sieht im Bedürfnis nach Humor eine anthropologische Grundkonstante, eine Art «Bewältigungsstrategie für Krisen», wie er im «Stern» zitiert wird. Indem das Schlimme in einem Witz banalisiert wird, versichern wir uns, dass wir die Krise überwinden können. In Zeiten vom Coronavirus können wir also die Scherzpraxis jeglicher Art getrost noch ein wenig länger ausüben …