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Leuchtende Andenken

Dem Wühlen in Schubladen folgt das Entziffern alter Handschriften: Wer mehr über den Weg eines Objekts ans Museum herausfinden möchte, begibt sich auf Spurensuche.

Die Erarbeitung einer neuen Ausstellung bietet Gelegenheit, die riesige Sammlung des MKB unter einem bestimmten Gesichtspunkt neu zu entdecken und dabei auf spannende Objekte zu stossen. Um für die bevorstehende Ausstellung zum Thema Nacht passende Objekte zu finden, hilft zunächst ein Blick in die digitale Datenbank des Museums. Es finden sich ein paar vielversprechende Lampen, die wir im Depot besichtigen …

Drei Lampen sind auf grauem Grund gruppiert

Graubündner Talglampen zum Aufhängen

Aber wie kamen diese eigentlich ans Museum und wem gehörten sie vorher?

Für einige der über 340’000 Objekte gibt es sogenannte Sammlungsakten, in denen Dokumente, die im Kontext des Erwerbs entstanden sind, aufbewahrt werden. Neben Informationen zu Herkunft und Gebrauch der Objekte können diese Unterlagen auch Aufschluss über vorherige Besitzerinnen und Sammler geben und uns Einblicke in die Umstände gewähren, in denen das Objekt ans Museum gekommen ist.

Zwei gelbe Couverts auf braunem Tisch auf denen zwei weisse Briefseiten liegen, die dicht mit Hand, mit blauer Tinte, geschrieben sind

Briefe von Sagenforscher Arnold Büchli ans Museum

In diesem Falle haben wir Glück, der Blick in die Aktenschublade ist erfolgreich, für die gefundenen Lampen sind Sammlungsakten vorhanden. In den Umschlägen finden sich vor allem handschriftliche Briefe eines gewissen A. Büchli, der die Objekte dem Museum vermacht hat.

Die Recherche ergibt, dass es sich hierbei um den Sagenforscher und Märchensammler Arnold Büchli handelt, der für seine Tätigkeit oft lange Feldaufenthalte unternahm. Auf diesen stiess er auch auf die zahlreichen Objekte, die er später dem Museum anbot.

Lampe mit langem Haken steht auf drei Beinen und darüber befinden sich zwei viereckige Ablageflächen

Graubündner Talglampe – auf Rätoromanisch: «cazzola de sef»

In seinen Briefen schildert Büchli, dass diese Art Lichter, für deren Nutzung Rinder- oder Schaftalg (rätoromanisch «sef») als Brennmaterial in die Schalen gefüllt wurde, üblicherweise bis ins Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet waren. Als die Feuerversicherung die offenen Lichter verbot, wurden sie nur noch für dunkle Kellerräume genutzt. Büchli weist allerdings auch darauf hin, dass während der Zeit des ersten Weltkriegs, aufgrund der Petrol-Knappheit, wieder vermehrt auf «cazzolas de sefs» (deutsch «Talglampen») zurückgriffen wurde.

Gezackter Stab umrahmt den langen Haken, der auf einer viereckigen Fussplattform befestigt ist

Talglampe aus Versam, Safien

Der lange gezackte Stab der Talglampe erinnert an eine Säge; tatsächlich dient er als verstellbare Aufhängevorrichtung. Dem alten Schmied zufolge, dem Büchli die Lampe abkaufte, ist sie aufgrund der Verwendung in amtlichen Räumlichkeiten speziell so angefertigt worden.

Viereckige Fussplattform, die an einem Stab befestigt ist, der zuoberst eine Öse zum Befestigen zeigt

Schanfigger «Chengeliecht» aus Molinis

Büchlis Briefe geben nicht nur Aufschluss, wie Lichter aufgehängt werden müssen, sondern uns die Möglichkeit, ihn auch selbst zu Wort kommen zu lassen:

 «Wie Sie gesehen, habe ich schon eine ziemliche Anzahl von solchen Lichtern aus den verschiedenen Talschaften Graubündens gesammelt, manche auch schon dem Museum abgeliefert […]. Vor allem sind es für mich kleine, nicht zu teure A n d e n k e n an Gewährsleute, Häuser und Dörfer, die markantes Sagenmaterial geliefert […]. Ausserdem aber geben diese Lichter einen Einblick in das lokale Kunstschmiedehandwerk von einst».

liniertes Blatt, auf dem mit schwarzer Tinte Worte und Zeichnungen gekritzelt sind

Auszug aus einem von Büchlis Briefen, mit Anleitungs-Skizze

Ob die Lampen, die Arnold Büchli dem Museum hat zukommen lassen, es tatsächlich in die Ausstellung schaffen? Im 2023 wird es «Nacht»...