Schlemmen im «Schlüssel»
Im Projekt «Who is Who in der Sammlung des MKB» machen wir uns auf die Spuren von Personen, die dem Museum Objekte verkauft, vermacht oder geschenkt haben – eine wichtige Quelle dafür sind die Protokolle der Museumskommission.
Die Geschichte der Kommission des MKB ist so alt wie das Museum selbst. Ins Leben gerufen wurde sie 1893, als die ethnographische Sammlung sich aus der historisch-antiquarischen Sammlung im Museum an der Augustinergasse herauslöste. Anfangs 1893 hielt die neugegründete Kommission ihre erste Sitzung ab.
Die Kommission bestand meist aus sechs bis neun Personen, welche an die in der Regel viermal im Jahr stattfindenden Sitzung kamen. Die Protokolle sind Zeugnis grösserer Beschlüsse wie zum Beispiel der Bau und Ausbau des Museums und grösserer Sammelankäufe oder Schenkungen.
Gastronomische Ausflüge
Neben den für das Museum historischen Beschlüssen sind bei manchen Protokollen auch Hinweise auf den etwas informelleren Teil der Sitzungen zu finden. So gibt es am Schluss einiger Protokolle jeweils eine Notiz, die auf ein anschliessendes Nachtessen verweist. Dieser von Eduard Hoffmann-Krayer als «II. Akt» bezeichnete Teil der Sitzung, führte die Kommissionsmitglieder auf eine gastronomische Reise.
Die erste Erwähnung eines Nachtessens ist 1904 verzeichnet, dabei wurde die «Kunsthalle» als kulinarisches Ziel definiert. In weiteren Protokollen sind dann Gaststätten wie das «Gifthüttli», «Restaurant zum Helm», die «Fischeren», der «Stadtkeller», die «alte Bayrische Bierhalle» oder das «Sternen» erwähnt.
An wärmeren Tagen legten die Mitglieder auch mal grössere Strecken zurück, um ihren Durst und Hunger zu stillen. So ging es beispielsweise nach Lörrach, nach Kleinhüningen oder nach Riehen.
Das meist frequentierte Lokal, war jedoch das nahegelegene «Zunfthaus zum Schlüssel». Im «Schlüssel» wurden an Sitzungen begonnene Diskussionen weitergeführt oder erfolgreiche Beschlüsse mit einem «Schoppen» gefeiert.
Glücklicherweise wurde auch das Essen im Protokoll dokumentiert, die darin enthaltenen Menükarten weisen auf üppige Mahlzeiten hin.
Augenzeuge Felix Speiser
Ethnologe und Kommissionsmitglied Felix Speiser hat seine jahrelang betriebene «Teilnehmende Beobachtung» im «Schlüssel» 1930 in einem nicht publizierten Werk «Intimes aus dem Museum» zu Papier gebracht. So berichtet Speiser mit viel Hohn und Spott über die Tischgebaren seiner Kollegen.
Im «Schlüssel» angekommen bestellte jeder nach seinem Geschmack, was für Leopold Rütimeyer oft Hasenpfeffer und Wein war, der nach Angaben von Speiser meist «abscheulich» schmeckte. Bei Rütimeyer mussten sich die Tischnachbarn in Acht nehmen nicht von Essenspritzern getroffen zu werden, während neben Paul Sarasin niemand sitzen wollte, da er sich in «Polemik» und «abstruse Theorien» verbiss, niemand anderen hören wollte als sich selbst und sich in Gespräche anderer einmischte.
Oftmals blieben die Kommissionsmitglieder bis Mitternacht im «Schlüssel» sitzen, einige traten danach den Nachhauseweg an, während andere noch auf «Bierreisen» gingen, wo sich dann einer der Kommission «als hoffnungslos betrunken erwies und tatsächlich nach Hause gebracht werden musste».
Museum als lebendiger Ort der Interaktion
Diese Notizen zu den besuchten Gaststätten, die eingeklebten Menükarten und der Bericht von Felix Speiser zeigen, in welchem Verhältnis die Museumskommissionsmitglieder der frühen Jahre zueinanderstanden, die Wichtigkeit der informellen Treffen für die Entscheidungsfindung im Museum und in welchem sozialen Raum sich die Mitglieder der Kommission bewegten. Diese Quellen und Notizen lassen das Museum als einen Ort sehen, an welchem Menschen miteinander interagieren mussten.
Entschlüsse und Entscheidungen sind nicht nur, wie die meist eher trocken verfassten Protokolle suggerieren, das Ergebnis von rational geführten Diskussionen, sondern von sozialen Handlungsmustern, sozialen Prozessen, Gruppendynamiken und dem Status der einzelnen Kommissionsmitglieder innerhalb der Gruppe. Hinweise wie das gemeinsame Nachtessen lassen das Museum weniger als eine undurchsichtige, starre Institution erscheinen, sondern als einen lebendigen Ort der sozialen Interaktion.