Übersicht

Gut gepolstert

Vom vordersten bis in den hintersten Objektwinkel – das Wissen von Restaurator*innen ist sehr breit und tief

Feinsäuberlich wird die 160-jährige Kutsche «Char-de-côté» abgestaubt und mit kleinen Schwämmchen in allen Ecken und um jede Kante herum gereinigt. Die Arbeiten unserer Restauratorinnen Rie Suzuki und Anne-Rose Bringel sind im höchsten Masse Fein- und Detailarbeit.

Dem Staubsauger werden alle möglichen Aufsätze aufgesetzt, vorsichtig wird im Innenraum gesaugt. Anschliessend nutzen die Restauratorinnen Schwämmchen in allen Handgrössen und erledigen die detailreichsten Arbeiten in Handarbeit. Gerade die Winkel der Radspeichen sind Orte, da kommt frau nur mit Minischwamm und zwei Fingern hin.

Totale auf Restaurationsarbeiten

Reinigung und Präparierung der Kutsche für die Ausstellung «Frohe Festtage!»

Während all dieser Arbeiten wird der Zustand der Kutsche von Suzuki und Bringel kontrolliert und die beiden erfassen, falls nötig, Änderungen und Auffälligkeiten im Sammlungsarchiv. Gibt es Sachen zu restaurieren, dann ist das der Moment, um diese einzuplanen, damit die Kutsche rechtzeitig parat für die Ausstellung «Frohe Festtage!» ist.

All diese Arbeiten wurden bereits Mitte Juli 2022 umgesetzt. Glücklicherweise befindet sich die Kutsche in einem guten Zustand. Ist es doch auch so, dass sie seit ihrer letzten offiziellen Fahrt, 1916 im solothurnischen Balsthal, gerne und vorwiegend den Zweck als Ausstellungskutsche erfüllt. Sie wurde dadurch stets gut betreut. Denn Restaurierung bedeutet auch immer Konservierung und somit bleiben die Objekte bestens erhalten.

Säuberung mit Schwämmchen
Schämmchen

Mit solchen kleinen Schwämmchen wird der Wagen bis in die kleinste Ecke gesäubert

Viele Hinweise zur Objektgeschichte

Suzukis und Bringels Wissen umfasst ebenso viele Details über die Geschichte des Postwagens. Dieses erwerben Restauratorinnen und Konservatoren automatisch durch das Befassen mit der Restaurierungsgeschichte der Objekte. Hinweise über Reparaturen, Erneuerungen und Flickarbeiten liefern historische Einzelheiten, u.a. über Bestandteile aus einer Zeit, in der die Kutsche als Postwagen oder als Ausstellungsobjekt fungierte.

Die beiden Restauratorinnen schildern z.B., dass der Schriftzug in der Packkiste «Bloch & Deubelbeiss Maler, BalsthaI XI.Ol , NA» oben auf dem Sitz des Kutschers darauf hindeutet, dass die Kutsche 1901 in Balsthal einen frischen Anstrich bekommen habe.


Sie berichten auch über die Erneuerung der Sitzpolsterung in der Kabine und dass man unter den Sitzen noch einen Teil des ursprünglichen Stoffs liess, um die Originalität ein Stück weit zu bewahren. Sie zeichnen zudem Details über die Funktionsgeschichte der Fensterscheibe und des Lederriemens mit Löchern nach und schildern die Neuartikgeit jener Scheibe, die in einen Zwischenraum hinabgelassen werden konnte. Etwas, das uns heute ganz normal erscheint, war damals historisch bahnbrechend, denn diese Funktionsweise wurde anschliessend in der Autoindustrie weiterverarbeitet.

Polsterung alt und Neu

Bringel zeigt die neue und alte Polsterung

Rückbank mit Kiste für z.B. Briefpost oder wertvolle Gegenstände

Rückbank mit Kiste für z.B. Briefpost oder wertvolle Gegenstände

Lederriemen an Scheibe

Das geschlossene Fenster kann mit dem Lederriemen halb und ganz aufgemacht werden. Durch diese Befestigung bricht die Scheibe nicht beim Fahren über Stock und Stein

Spezielle Gewichtsverteilung

Nebst diesen spannenden Details erzählen Bringel und Suzuki über die Funktion der Kutsche im Tourismus des Juras. So war ihre Aufgabe nicht nur das Verteilen von Weihnachts- und Neujahrskarten, sondern ebenso das Kutschieren von Tourist*innen über die Höhen und durch die Täler des Juras mit seinen etwas schwierigen und schmalen Strassen. Die schmale «Char-de-côté» mit ihrer seitlichen Kabine, der guten Federung und der speziellen Gewichtsverteilung war gut geeignet für steinige, anspruchsvolle Strassen.

Blick auf die gesamte Kutsche

Ganzheitliche Arbeit

Die «Char-de-côté» erzählt uns eine Geschichte und Bringel und Suzuki können diese am besten Lesen, während sie Bestandsaufnahmen machen, Reparaturen vornehmen oder sie reinigen. Das Restaurierungswesen ist eine äusserst ganzheitliche Arbeit, und unsere Restauratorinnen sind Expertinnen für facettenreiche Fragen rund um die Objektgeschichte.

Der Postwagen «Char-de-côté» ist noch bis zum am 8. Januar 2023 in der Ausstellung «Frohe Festtage! Weihnachts- und Neujahrskarten» zu bestaunen.

 Originalpolsterüberzug

Originalpolsterüberzug

Dach mit Vermerk für Raucher*innen

Dach mit Vermerk für Raucher*innen