Zweites Leben für Kerzen
Im Rahmen eines Tutorats an der Universität Basel haben Studierende Objekte aus der MKB-Sammlung ausgesucht, dazu recherchiert und Blogbeiträge verfasst. (Teil 1)
Eine grosse und zehn kleine, runde Wachstafeln sind symmetrisch in einem Kasten aus Holz angeordnet und von einer Glasscheibe bedeckt. Es handelt sich um sogenannte Agnus-Dei-Täfelchen. Hergestellt wurden sie aus Resten von Osterkerzen.
Die Osterzeit ist in vielerlei Hinsicht eine Zeit für Neubeginne. Der Frühling hat begonnen. An den Bäumen wachsen Knospen und die ersten Blumen beginnen zu blühen. Im christlichen Glauben ist Jesus Christus am Ostersonntag auferstanden. Auch niedergebrannte Osterkerzen erhielten für Jahrhunderte an diesen Feiertagen neues Leben.
Tradition in Rom
Rund um Ostern haben sich viele Traditionen entwickelt: Fasten, Eier bemalen, Süssigkeiten verstecken, der Besuch des Osterhasen etc. Je nach Land und Region variieren die Bräuche. Eine hier weniger bekannte Tradition aus Rom ist das Schmelzen von Osterkerzenresten und deren Wiederverwendung als Agnus-Dei Täfelchen.
Eindrückliche Exemplare finden sich im Objekt mit der Signatur VI 58072. Rundherum sind sie verziert mit Blumen aus Metall und Stoff sowie Kleinreliquiaren. In die Agnus-Dei Täfelchen wurden Reliefs eingeprägt.
Üblicherweise stellten die Reliefs auf der Vorderseite das Lamm Gottes dar. Der lateinische Name dafür lautet Agnus Dei. Es gilt als Symbol für Jesus Christus. Ebenfalls eingeprägt wurde das Weihjahr. Im Holzkasten jedoch ist auf der grössten der Tafeln Jesus selbst zu sehen.
Vom Papst geweiht
Auf der Rückseite befindet sich jeweils der Name des weihenden Papstes und ein Heiligenbild. Agnus-Dei-Täfelchen wurden jeweils im ersten Jahr der Amtszeit eines Papstes von ihm selbst geweiht und danach alle sieben Jahre. Diese Tradition geht auf das 15. Jahrhundert zurück, wurde aber 1964 abgeschafft.
Nach der Weihung gingen die Tafeln als Sakramentalien häufig an Kirchen, um diese zu ehren. Oder Pilger brachten sie aus Rom zurück. Solche Schätze wurden sorgfältig aufbewahrt. Bekannt sind etwa Exemplare aus Bern, Basel und Zürich. Der Universität Basel wurde eine solche Tafel zu ihrer Gründung verliehen.
Das Osterkerzenwachs gilt als unbefleckte Materie und repräsentiert himmlische Reinheit. Oftmals wurde allerdings auch zusätzliches Wachs verwendet, da die Kerzen nicht reichten. Wachs, wie auch Öl, Wasser, Brot und Wein, symbolisiert als Naturerzeugnis die Schöpfung Gottes.
Souvenir und Schutz
Von den Barfüssermönchen, die in Jerusalem das Heilige Grab bewachten, ist überliefert, dass sie selbst Agnus-Dei-Tafeln herstellten und an Wallfahrer*innen verteilten. Quasi als Souvenir. Zudem galten die kleinen Wachstäfelchen lange Zeit als wirksame Schutzmittel gegen Krankheit und Unglück.