Moment der Wahrheit
Eine Delegation aus Nigeria bewunderte und befühlte die 21 Werke aus dem ehemaligen Königreich Benin, die sich in der Sammlung des MKB befinden. Dabei entstand ein reger Austausch mit Schweizer Museumsvertreter*innen.
«His Royal Highness» – dass Museumsdirektorin Anna Schmid einen Prinzen im Haus begrüssen darf, ist doch eher ungewöhnlich. Prinz Aghatise Erediauwa war mit einer hochkarätigen Delegation aus Nigeria zu Gast. Der 21 Objekte wegen, die aus dem ehemaligen Königreich Benin stammen und sich in der Sammlung des MKB befinden.
Eingeladen hatte die Benin Initiative Schweiz (BIS). Besprochen wurde in dieser Woche die Zukunft der insgesamt rund 100 Gegenstände aus Benin-City, die sich in Schweizer Museen befinden. Erste Verhandlungsergebnisse sind auf der Website der BIS einsehbar.
Neben einem Forum und diversen Workshops besuchte die Delegation auch einige der Museen. Denn sie wünschte, die Objekte mit eigenen Augen zu sehen. Das MKB zeigte die Gegenstände deshalb bewusst im Depot – «da, wo sie über 120 Jahre bestens aufbewahrt wurden», wie Anna Schmid versicherte.
Wir schreiben Geschichte
Dafür bedankte sich seine königliche Hoheit auch besonders in seiner Begrüssung in Basel. Er vertrat seinen Bruder, seine königliche Majestät den Oba von Benin. Mitgebracht hatte er Vorsteher von Kulturinstitutionen, Kunsthistoriker, Sozialanthropologinnen, Forscher*innen, Kunstschaffende und Kunsthandwerker. Praktisch einhellig meinten die zehn Personen, dass sie aufgeregt seien und sich sehr auf die Begegnung mit den Werken freuen, die sie nur von Bildern kennen. «Wir schreiben hier Geschichte», sagte Professorin Kokunre Eghafone tief bewegt.
Auch die Verteter*innen der BIS und der beteiligten Schweizer Museen waren sich einig, dass es ein sehr emotionaler Moment sei. Ursula Regehr, Kuratorin Afrika am MKB erklärte: «Ich bin überzeugt, diese Werke besitzen Handlungsfähigkeit. Sie haben uns nicht nur zusammengebracht, sie fordern uns auch heraus, ihre Geschichten zu verstehen und laden uns ein, unser Wissen miteinander zu teilen.»
Nach einer kurzen Kaffeepause kam dann der «Moment of Truth», wie sich Kunsthistoriker Patrick Oronsaye ausdrückte: Die Anwesenden begaben sich in die Räumlichkeiten der Restaurierung, wo 18 der Gegenstände auf grossen Tischen ausgelegt waren. Drei weitere Werke wurden erst nachmittags besichtigt, da sie sich in der aktuellen Ausstellung «Memory» befinden.
Wow!
Zuerst herrschte Stille. Die Objekte wurden mit den Augen verschlungen. Zu hören war nur hier und da ein «Wow». Dann kam Bewegung in die nigerianische Delegation. Die meisten zogen sich Handschuhe an und berührten die Skulpturen, Armreifen, Glocken, Stäbe, Hocker und Elefantenstosszähne ganz vorsichtig und ehrfurchtsvoll.
Dann wurde es laut. Angeregt diskutierten die Gäste über die Objekte und miteinander – und immer wieder ertönte auch Gelächter. Die Expert*Innen aus Nigeria lieferten wertvolle Informationen zu den Werken, die sich Ursula Regehr sofort notierte. Details wurden genau unter die Lupe genommen, u.a. die geschnitzten Abbildungen auf den Elefantenstosszähnen, die wichtige Ereignisse am Königshof von Benin dokumentieren und aus dem Leben von Herrschern und Würdenträgern erzählen.
Regehr zeigte sich sehr beeindruckt. «Um die vielfältigen Bedeutungen der Werke aus dem historischen Königreich Benin und ihre Biographien zu rekonstruieren und verstehen, sind Schweizer Museen auf die Kooperation mit nigerianischen Expert*innen angewiesen. Im heutigen Austausch und Dialog sollen sowohl Richtlinien für den zukünftigen Umgang mit den Sammlungen aus dem historischen Königreich Benin erarbeitet werden, als auch Grundlagen für zukünftige Kooperationen in Forschungs-, Kunst- und Ausstellungsprojekten.»
Der Prinz bedankte sich für dieses Zusammenkommen und sagte, sie freuten sich darauf, die Vertreter*innen von Schweizer Museen erneut in Benin-City zu empfangen.