Übersicht

Bitte fragen Sie!

Am 7. Mai startet das MKB mit der Projektreihe «Vor aller Augen». Direktorin Anna Schmid erklärt, was es damit auf sich hat.

MKB: Um was geht es bei der Projektreihe?
Anna Schmid: Wir zeigen der Öffentlichkeit, was unsere Arbeit ausmacht. Uns beschäftigen ganz viele Fragen bei den Themen Provenienz und Zirkulation: Wo sollen Dinge hin? Wer hat welches Interesse? In der Reihe möchten wir einerseits die ganze Bandbreite an Anliegen – wie Leihgeschäfte, Rückführungen oder andere Möglichkeiten, die wir vielleicht selbst noch nicht kennen – vorstellen und andererseits alle offenen Fragen angehen. Ob wir sie beantworten können, ist offen. Das Ganze hat Experimentiercharakter.

Fünf Frauen stehen um einen langen Tisch, auf dem fünf Stapel Dokumente liegen. Ein Mann im grauen T-Shirt und mit weissem Namensschild bückt sich an einem Ende des Tisches über einen Stapel und hebt ihn mit beiden Händen hoch.

Die Besucher*innen können Dokumente einsehen und die Mitarbeitenden jederzeit mit Fragen löchern

Warum die Reihe gerade jetzt?
Das Interesse an den Themen, die ich vorhin genannt habe, ist grösser geworden in letzter Zeit. Meine Mitarbeitenden und ich werden öfter zu Podien eingeladen. Diese sind dann aber jeweils sehr allgemein gehalten. Und die Restitution ist stets mit Schuldfragen behaftet. Es geht aber nicht um Rechtfertigung, sondern darum, all diese Fragen neu anzuschauen.

Mit uns auf Entdeckungsreise gehen

Spielt nicht auch der Rahmenkredit, der für die Provenienzforschung gesprochen wurde, eine Rolle?
Ja, weil damit hat die Provenienzforschung Fahrt aufgenommen. Unsere Forschenden finden laufend neue Facetten. Sie stossen auf neue Zusammenhänge und interessante Netzwerke. Spannend sind die Vielfalt, die Hintergründe und die Ziele.

Was wollen Sie mit der Projektreihe erreichen?
Das Publikum soll an unserer Arbeit teilhaben können. Das heisst, mit uns auf Entdeckungsreise gehen.

Eine Frau mit grauem kurzem Haar im grauen Blazer mit orangem Foulard beginnt ein Papier von einem weissen Tisch zu heben mit der linken Hand. Rechts neben ihr beugt sich eine zweite Frau mit mittellangem braunen Haar im gelben Pulli leicht zu ihr. Eine dritte Person rechts von ihr ist nicht deutlich zu sehen.

Direktorin Anna Schmid hofft auf viele Fragen, die sie sich eventuell noch gar nicht gestellt hat

Wer genau soll auf die Reise mitkommen?
Alle, die Fragen dazu haben. Alle, die uns täglich darauf ansprechen, was wir machen, wie es weitergeht. Alle, die denken, Restitution ist furchtbar und schwierig. Wir zeigen, dem ist nicht so. Für uns ist es immer eine Win-Win-Situation. Wir müssen wegkommen von der Vorstellung, dass es Opfer und Täter gibt. Wir sollten uns nicht schämen oder rechtfertigen müssen, sondern neue Wege gehen.

Der Austausch ist bereichernd

Wohin?
Wir müssen Fragen anders stellen. Daraus entstehen andere Beziehungen. Wir sehen dann, dass der Austausch mit anderen Kulturen interessant und in jeder Hinsicht bereichernd ist. Dies sollen die Besucher*innen miterleben und nachvollziehen können. Das wollen wir ihnen bieten, das sind wir ihnen schuldig.

Auf einem weissen Regal stehen und liegen vier bräunlich-weisse Gegenstände: links ein Gefäss in Form einer Eule, davor ein Topf mit zwei Henkeln, auf den ein Gesicht aufgemalt ist, davor eine Tasse und ganz rechts eine Art Teller, in dem eine Figur sitzt. Vor den Gefässen sind Nummern in Rot und Schwarz notiert.

Die Besucher*innen können die Objekte, um die es in den Projekten geht, von ganz nah betrachten

Was bieten Sie ganz konkret?
In einem Ausstellungssaal stehen Tische, auf denen Dinge liegen. Die Besucher*innen können sie von ganz nah anschauen und verfolgen, wie sie durch unsere Restauratorinnen gereinigt werden. An die Wände wird Bildmaterial projiziert. Fotos aus der Zeit, als die betreffenden Dinge gesammelt wurden, bis heute. Archivalien, mit denen wir arbeiten, sind in Kopien einsehbar. Vielleicht können uns die Besucher*innen sogar helfen, sie zu entziffern. In einer Ecke können sie alles in Ruhe anschauen – allein für sich oder zusammen mit Museumsmitarbeitenden. Und sie sollen uns mitteilen, was sie sich wünschen.

Zwei Personen, von denen man Hände und Arme sieht, zeigen auf einen weisslichen Gegenstand, der auf einem weissen Tisch liegt. Der Gegenstand ist schalenförmig. Die Hände der beiden Personen stecken in blauen Handschuhen.

Auch die Konservatorinnen sind vor Ort und erledigen ihre Arbeit vor den Augen des Besucher*innen

Was erwarten Sie vom Publikum?
Dass Fragen gestellt werden. Dass Fragen gestellt werden, an die wir noch gar nicht gedacht haben. Dass wir über unsere Arbeit ausgefragt werden und darüber ins Gespräch kommen.

Zwei Frauen mit braunen hochgesteckten Haaren, die man nur von hinten sieht, schauen auf einen Mann im grauen T-Shirt mit einem weissen Namensschild, der ein weisses Blatt Papier vor seine Brust hält, auf dem etwas geschrieben und gezeichnet ist, das aber nicht erkennbar ist.

Die Mitarbeitenden des MKB stehen den Besucher*innen jederzeit für Gespräche zur Verfügung

Es sind keine einfachen Themen und die Leute wissen nicht unbedingt viel darüber oder haben Hemmungen. Was dann?
Wir haben aus unserem Format Kulturdialog Erfahrung. Einige Menschen möchten vielleicht nicht ins Gespräch kommen. Das ist ihr Recht. Andere haben grossen Bedarf zum Reden. Alle sollen es so machen, wie es für sie stimmt. Wir möchten aber die Reaktionen der Besucher*innen ins Projekt integrieren. Wie ist noch offen.

Wir werden gerne diskutieren

Sie werden mit Kritik rechnen müssen ...
Wir nehmen Kritik gerne an, sofern sie mit Argumenten untermauert ist und nicht einfach nur das Beharren auf einer Meinung ist. Wir werden zusammen eruieren, was dahintersteckt. Wir werden gerne diskutieren, und immer für den Gleichheitsgrundsatz plädieren. Wir werden mit unseren Besucher*innen hinterfragen, ob im globalen Norden wirklich alles besser ist. Wir zeigen Fakten und Handlungsmöglichkeiten auf. Wir zeigen auf, wie wir Bedürfnisse abklären, alles abwägen und nach fairen Lösungen suchen. Wer mitdiskutiert, zuhört, Sachen nachliest, ändert vielleicht seine Haltung.
Gerade das Beispiel des australischen beschnitzten Baumstamms thulu in der Ausstellung «Alles lebt» zeigt, ein Miteinander und Füreinander birgt grossartige Chancen.