Die Kunst des Loslassens
Nach über drei Jahren schliesst die Ausstellung «Erleuchtet – Die Welt der Buddhas». Die Kuratorin, Stephanie Lovász, blickt zurück.
MKB: «Erleuchtet» geht zu Ende. Wie fühlt sich das an?
Stephanie Lovász: Ich sehe das Ende der Ausstellung mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Einerseits bin ich traurig, dass die Ausstellung zugeht. Buddhismus ist ein Thema, das mich schon sehr lange begleitet und mir auch persönlich nah ist. Andererseits beginnt etwas Neues, es kommt eine neue Ausstellung in den Raum und ich habe ein neues Projekt vor mir, das ist spannend und wichtig. Letztlich lehrt ja auch der Buddha die Akzeptanz der Vergänglichkeit.
Die Ausstellung startete mitten in der Pandemie. Wie war das?
Die Zeit war auf so vielen Ebenen herausfordernd, natürlich auch beim Ausstellungsmachen. Es mussten Hygiene- und Abstandsregeln berücksichtigt werden, es waren nicht alle Materialien jederzeit verfügbar. Und die Teamarbeit wurde sehr digital, daran mussten wir uns alle gewöhnen. Aber zugleich war ich dankbar dafür, ein so tolles Thema bearbeiten zu dürfen, das habe ich als ein Privileg empfunden. Mir hat die Vorbereitung gerade dieser Ausstellung während der Ungewissheiten der Pandemie Kraft und Zuversicht gegeben.
Welche Objekte haben dich besonders begleitet in den über drei Jahren?
Es ist schwer «Lieblingsobjekte» zu benennen. Das Werk «My Father‘s Death» von Sonam Dolma Brauen ist sehr besonders für mich. Es ist eine Meditation über Leben und Sterben, die Akzeptanz der Vergänglichkeit und über die Liebe. In den Kalligraphien von Sanae Sakamoto spüre ich die Energie und Kreativität der Künstlerin. Ich bin sehr dankbar, dass ich beide Frauen kennenlernen durfte.
Die zahlreichen Buddhas im Ausstellungsraum haben für mich eine enorme Ausstrahlung. Die Gruppe der Alabaster-Buddhas aus Myanmar [IIb 7, IIb 8, IIb 10, IIb 11, IIb 12] zählen sicher zu meinen Favoriten. Und auch zwei kleine Buddhas [IId 13892, IId 13885] aus dem Himalaya. Ihre Konturen sind abgerieben, ein sichtbares Zeichen der zahlreichen Berührungen der Gläubigen.
Erleuchtet zu sein, ist das Ziel eines buddhistischen Mönches. Was können wir Menschen in Zeiten von Umbruch und Unsicherheiten aus der Ausstellung mitnehmen, um so ruhig und gelassen zu bleiben, wie ein Buddha?
Ob das Ziel von Mönchen und Nonnen – oder ganz allgemein von praktizierenden Buddhist*innen –tatsächlich das Erwachen ist, weiss ich gar nicht. Ich habe den Eindruck, das «Ziel» ist viel eher eine kontinuierliche Praxis, also das Verinnerlichen und Verstehen der Botschaft des historischen Buddha: radikale Akzeptanz der Vergänglichkeit, Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen, kontinuierliche Schulung des Geistes, regelmässige Meditation respektive spirituelle Praxis. Die höchste Erkenntnis – oder das Erwachen, in unserem Sprachgebrauch Erleuchtung – ist dann eher das Fernziel, das in einer der nächsten Existenzen verwirklicht wird. Erwachen ist ein Prozess, ein Weg, dem wir geduldig folgen.
Hast du uns ein abschliessendes Zitat zum Jahr des Drachens?
Zum Drachenjahr speziell habe ich kein Zitat. Sanae Sakamoto hat einer ihrer Kalligraphien folgenden Koan des buddhistischen Meisters Rinzai zugeordnet: «So wie es ist, so ist es gut. Alles hat seinen Platz, alles hat seine Zeit.» Dieses Zitat bringt für mich eine Gelassenheit zum Ausdruck, die sich lohnt, immer wieder in den Blick zu nehmen.