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Wie das Mitgefühl zur Frau wurde

Eine Reise, die den Bodhisattva des universellen Mitgefühls vom Himalaya nach Südostasien führte, hat ihn vom Mann zur Frau werden lassen. Eine Objektgeschichte.

Der Weg entlang den sagenumwobenen Seidenstrassen, die den Mittelmeerraum mit Süd- und Ostasien verbinden, verwandelte den männlichen Bodhisattva Avalokiteshvara in die weibliche Kannon Bosatsu, wie die gleiche Figur in Japan genannt wird. Einen Bodhisattva nennt man ein erwachtes Wesen im Buddhismus. Dasjenige, von dem diese Objektgeschichte handelt, ist das Wesen des universellen Mitgefühls. In dieser Verwandlung erkennen wir einen Jahrhunderte dauernden Prozess, der in der Ausstellung StrohGold über kulturelle Transformationen nicht fehlen darf.

Im Museum der Kulturen wird der Bodhisattva Avalokiteshvara in vielen Unterschiedlichen Formen gezeigt.

Die verschiedenen Darstellungen des Bodhisattva Avalokiteshvara

«In den Museumsobjekten konkretisieren sich gesellschaftliche und kulturelle Realitäten, in ihnen werden Genderrollen sichtbar. Sie sind auch Versuche, diese eindeutig festzulegen und in den Griff zu bekommen, enthüllen aber auch deren Fluidität», so Nadja Breger. Breger führt in regelmässigen Abständen durch die Ausstellungen.

Charaktereigenschaften oder Missionierung?

Weshalb und wie dieser Wandel zustande kam, ist nicht restlos geklärt. Zu viel Zeit ist seither vergangen. Sicher ist, dass verschiedene religiöse und philosophi­sche Ideen sowie mythologische Vorstellungen diesen Geschlechtswan­del begünstigt haben. Eine Theorie ist beispielsweise, dass die Eigenschaft der Gottheit, also das Mitgefühl, den Frauen zugeschrieben wurde. Eine andere Theorie besagt, dass die Gottheit von Missionaren kurzerhand zur «Maria» gemacht wurde, um dadurch die Missionierung zu vereinfachen. Der Austausch mit einer biblischen Figur sollte Identifikationspunkte schaffen und die Missionierung erleichtern.

Was abschliessend der Grund dafür ist, dass der Bodhisattva Avalokiteshvara in Japan Kannon Bosatsu heisst und sowohl in weiblicher wie auch in männlicher Form verehrt wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Diese Geschichte ist aber ein Paradebeispiel dafür, wie kulturelle Transformationen verlaufen können.