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Zweimal Geburtstag

Der Geburtstag, insbesondere wenn es ein runder ist, spielt in unserem persönlichen Jahresablauf eine ganz besondere Rolle, es ist unser persönliches Fest – und das alle Jahre wieder. Das war nicht immer in allen Gesellschaften so.

Auf der indonesischen Insel Bali ist der gregorianische Kalender für den Tourismus sowie geschäftliche und internationale Belange wichtig. Für alle balinesischen Feierlichkeiten sind hingegen zwei andere Kalendersysteme massgebend.

Ein Jahr mit 210 Tagen

Der Kalender, nach dem auf Bali die meisten Zeremonien, Feste und Feiertage berechnet werden, ist der javano-balinesische pawukon-Kalender. Ein Jahr des pawukon-Kalenders umfasst 210 Tage und besteht aus der Abfolge von zehn nebeneinander herlaufenden Wochen-Zyklen (1-Tage-Woche, 2-Tage-Woche, 3-Tage-Woche, etc. bis 10-Tage-Woche). Neben der 3- und 5-Tage-Woche ist die 7-Tage-Woche besonders wichtig, sie gliedert das pawukon-Jahr in 30 wuku (7-Tage-Wochen) mit je eigenem Namen. Die Jahre selbst werden aber im pawukon-Kalender weder gezählt noch durchnummeriert.

Auch die Geburtstage werden auf Bali zuallererst anhand des pawukon-Kalenders festgehalten. Und so kommt es vor, dass der Geburtstag des pawukon-Kalenders (alle 210 Tage) einer Person im gregorianischen Jahr zweimal vorkommt.

Eine Menschenmenge trägt einen Sarg durch ein Dorf, der wie eine Tempel aussieht

Kremation als letztes grosses Lebensübergangsritual © MKB, Richard Kunz, 2015

Das ist aber für Balinesinnen und Balinesen selbst kaum von Bedeutung, denn der persönliche pawukon-Geburtstag wird nicht regelmässig gefeiert. Es sind vielmehr Übergangsriten wie das Abfallen der Nabelschnur, das Dreimonatsritual 105 Tage nach Geburt, der erste Geburtstag 210 Tage nach Geburt, das Zahnfeilungsritual beim Erwachsenwerden, die Heirat und die Kremation, die Anlass für grosse Feste bieten.

Zwei Frauen liegen auf Teppichen am Boden mit geöffneten Mündern. Sie sind in gelbe Gewänder gekleidet und schön geschminkt.  Ein Mann macht sich daran, ihre Zähne zu feilen.

Zahnfeilungsritual im Rahmen des Erwachsenwerdens © MKB, Urs Ramseyer, 1989

Anders sieht es bei den zahlreichen Tempeln auf Bali aus. Jeder Tempel hat einen Gründungstag im pawukon-Kalender und alle 210 Tage wir der Geburtstag des Tempels gefeiert. Diese Tempelgeburtstage, odalan genannt, sind wichtige Ereignisse im balinesischen Jahreslauf. Und je nach Bedeutung des Tempels nehmen nur die Dorfgemeinschaft oder aber Verwandtschaftsgruppen aus ganz Bali am Fest teil.

Eine lange Reihe von Frauen gehen in einen Tempel. Sie sind gelb gekleidet und tragen volle Körbe auf den Köpfen

Frauen mit Opfergaben anlässlich eines Tempelgeburtstages © MKB, Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff, 1994

An diesen Geburtstagen werden die Tempel festlich geschmückt und in langen Prozessionen tragen die Frauen die Opfergaben zum Tempel. Die Gottheiten werden in den Tempel eingeladen, verehrt und verköstigt und mit Musik, Tanz und Theater unterhalten.