Textilien sprechen Dialekt
Kuratorin Stephanie Lovász bereitet eine Ausstellung vor mit Fokus auf der Textilmusterungstechnik Shibori. Zwei Expert*innen haben im Vorfeld die Museumsammlung angeschaut und sind begeistert.
Shibori ist japanisch und blau. Stimmt, aber nicht nur. Die textile Musterungstechnik gibt es weltweit. Sie ist unter verschiedenen Namen bekannt: In Japan heisst sie Shibori, in Indien Bandhani, in Nigeria Adire, in Peru Amarra. Dabei kommen verschiedene Materialien zum Einsatz und es wird in diversen Farben gefärbt.
Als versteckte Shibori-Schätze bezeichnet Yoshiko Iwamoto Wada die bräunlich-rot gemusterten Gürtel aus Vanuatu, einem pazifischen Inselstaat. Sie ist begeistert darüber, was im Museumsdepot lagert. Und nichts hält sie davon ab, für die Entdeckung weiterer Meisterstücke auf eine Leiter zu steigen, mit ihren bald 80 Jahren.
Schublade für Schublade wird aufgezogen. Wada untersucht die Textilien vorsichtig und nimmt sie buchstäblich unter die Lupe. Sie sagt, die Gegenstände seien für sie wie Dialekte, die sie zu verstehen beginne. Es sei, als ob die Dinge oder eher Subjekte, eine Sprache hätten. Ebenso die Technik.
Wada ist Wissenschaftlerin und Künstlerin. Sie forscht seit den 1970er-Jahren zu verschiedenen Textiltechniken. Damals schon hat sie den japanischen Begriff Shibori als Oberbegriff für spezifische textile Musterungstechniken etabliert, die durch Abbinden, Falten, Abnähen oder Pressen Muster in Stoffen erzeugen.
Zusammen mit Shibori-Meister Hiroshi Murase aus Arimatsu, Japan, weilte sie kürzlich in Basel respektive im Museum. Gemeinsam haben sie das World Shibori Network begründet. Und sich entschieden, aufgrund der vom MKB für 2026 geplanten grossen Shibori-Ausstellung und der grossartigen Shibori-Sammlung des Museums, ihr nächstes Internationales Shibori Symposium 2026 in Basel, im MKB durchzuführen.
Ob der Gürtel mit der Signatur Vb 4239 in der Ausstellung gezeigt wird, bleibt noch dahingestellt. Wada meint, er sei das beste Stück. So etwas habe sie noch nie gesehen. Jedes Detail erzähle ihr etwas.
Ungewöhnlich eckig
Bei einem anderen Textil sagt sie, es sei eine «Heirat von Herstellungstechniken», «so schön»! Da ihr die Knüpf- und Mustertechniken nicht bekannt sind, bittet sie darum, herauszufinden, wie sie genannt werden. Sie meint weiter, «das Material komme an erster Stelle», es gäbe Auskunft über die Umwelt, Agrikultur und vieles mehr.
Nur ungern löst sie sich von den Regalen. Doch kaum am Tisch, auf dem Kuratorin Stephanie Lovász Shibori-Beispiele aus aller Welt ausgebreitet hat, begeistert sie sich für einen Rindenstoff aus Kamerun. Fasziniert beäugt sie die eckigen Muster, die diagonal über das Textil laufen. Sonst seien die immer rund, sagt sie und nur zwei Shibori-Techniken seien diagonal.
Bei den Sachen aus Ladakh, Indien, gilt das Interesse von Wada und Murase den älteren Textilien mit traditionellen Mustern. Eine Diskussion startet über die Verwendung von chemischen Farben. Später auch über ein Textil von 1856. Woher kommt das Pink, fragen sie sich. Damals habe es doch die Farbe nicht gegeben, nur Naturfarben. Chemische Farben seien in Indien erst um 1880 eingeführt worden ...
Gerätselt wird zudem über die rötlichen Einfärbungen eines Textils, das durch seine Kreuze besticht. Könnte die Farbe von Rhabarberwurzeln stammen? Und welche Technik wohl angewendet worden sei, so etwas hat Wada noch nie gesehen.
Alles, was die beiden Koryphäen sagen, halten zwei wissenschaftliche Mitarbeitende akribisch in Notizbüchern fest. Damit können die Angaben in der Datenbank ergänzt werden. Solche Besuche sind stets ein wertvoller Austausch von theoretischem Wissen und praktischem Know-how.